Vorbemerkung: Puerto Rico, der große Bruder dieses Spiels, ist mir unbekannt. Direkte Vergleiche sind von mir daher nicht zu erwarten, sondern ein "unverbrauchter" Blick auf das Spielprinzip.
Testumgebung: 2-Personen-Partie
San Juan besteht fast ausschließlich aus Karten. Kein Spielbrett, keine Holzfiguren, kein Würfel...
Der Clou an diesem Spiel vorweg:
1.
Karten erfüllen die Funktion von Gebäuden.
2.
Karten erfüllen die Funktion von Waren.
3.
Karten erfüllen die Funktion von Geld.
4.
Karten erhalten Sie nicht einfach so beim Start einer neuen Runde, Sie müssen sich diese ständig erarbeiten.
Toll, oder? ...
Okay, Sie brauchen mehr Details? Kein Problem, hier nun die Anmerkungen:
zu 1.
Karten, die sie auf der Hand haben, bilden ohne Ausnahme Gebäude ab, die sich noch einmal in zwei Kategorien unterteilen lassen:
a.
fünf verschiedene
Produktionsgebäude, um Waren zu produzieren und zu verkaufen. Eins dieser Gebäude steht Ihnen bei Spielstart automatisch zur Verfügung ("Indigoküperei"). Teurere Produktionsgebäude, die sie zunächst mit mehr Geld errichten müssen, erwirtschaften fast immer höhere Erträge, sorgen damit also ab sofort auch für potentiell mehr Geld.
b.
24 verschiedene
violette Gebäude, die Ihre Produktions- oder Verkaufsmenge erhöhen oder weitere Vorteile bieten, die sich entweder bereits im weiteren Spielverlauf oder erst in der Endabrechnung, also nach Spielende, positiv für Sie auswirken.
Gebäude werden nur gebaut, wenn ein Spieler die Rolle des
Baumeisters wählt. Dann dürfen alle Spieler ein Gebäude aus Ihren Handkarten vor sich auslegen, wenn sie denn den aufgedruckten Wert bezahlen können.
zu 2.
Waren werden nur produziert, wenn ein Spieler die Rolle des
Aufsehers wählt. Dann kann jeder Spieler mindestens eine Ware produzieren, d.h. er zieht vom allgemeinen Nachziehstapel eine Karte und legt sie verdeckt auf ein Produktionsgebäude seiner Wahl. Diese produzierte Ware stellt jedoch noch keinen Wert dar, sie dient lediglich als Vorstufe zum Verkauf.
Waren werden wiederum nur verkauft, wenn ein Spieler die Rolle des
Händlers wählt. Dann kann jeder Spieler mindestens eine Ware verkaufen und dafür Karten auf seine Hand nachziehen.
zu 3.
Wie zahlen Sie nun die Gebäude, die Sie auf Ihrer Hand haben und vor sich auslegen möchten?
Mit Geld, das durch nichts anderes repräsentiert wird als durch: Karten, die Sie auf der Hand haben. Sie halten also Karten auf der Hand, allesamt Gebäude repräsentierend. Wollen Sie nun eins davon bauen, opfern Sie dafür andere Gebäude, indem Sie diese Karten "achtlos" abwerfen - unabhängig davon, was auf ihrer Vorderseite abgebildet ist. Wenn Sie so wollen, bezahlen Sie Gebäude mit Gebäuden, die in diesem Moment zu Geld mutieren: jede Karte gilt als ein Geldstück. Je teurer das Gebäude, desto mehr Karten werfen Sie dafür ab.
zu 4.
Es gibt noch zwei weitere Rollen zur Auswahl: den
Ratsherr und den
Goldsucher. Beide Rollen sorgen dafür, dass Sie exakt eine Karte vom Nachziehstapel auf die Hand nehmen dürfen. Je nach Rolle erhalten Sie die oberste Karte (dafür als einziger Spieler, alle anderen gehen leer aus) oder dürfen aus mehreren Karten eine auswählen.
Eine Karte pro Runde ist allerdings nicht viel und wird Sie nicht schnell genug vorwärts bringen.
Der Weg zum Ziel führt zwangsläufig über die Produktion und den Verkauf von Waren (siehe 2.). Also ist es sinnvoll, weitere Produktionsstätten zu errichten, um den Geldfluss (in Form von Karten, falls Ihr Kurzzeitgedächtnis Lücken aufweisen sollte) zu beschleunigen.
Die violetten Gebäude bieten Ihnen jedoch bereits kurz nach Spielbeginn mitunter entscheidende Vorteile gegenüber Ihren Mitspielern.
Sie sollten sich gut entscheiden, welche Karten Sie abgeben und welches Gebäude Sie damit bauen. Die Wahl fällt gerade zu Beginn meist besonders schwer, weil Sie einfach nicht genügend Karten haben werden, die Sie freiwillig opfern wollen, aber müssten.
Dieses Spiel gefällt auf den ersten Blick dadurch, dass Sie kein Spielbrett und Zubehör mühevoll aufbauen oder bereitlegen müssen. Aus eigener Erfahrung kann ich Agricola als Gegenstück zu San Juan benennen, was die nötigen Vorarbeiten angeht. Für einen raschen Spielbeginn kann San Juan damit schon einmal uneingeschränkt empfohlen werden.
Dieses Spiel gefällt auf den zweiten Blick dadurch, dass Sie alles mit Karten symbolisieren: Gebäude, Waren, Werte.
Dieses Spiel gefällt auf den dritten Blick dadurch, dass Sie bei jedem Spielstart aus den zufällig gezogenen Handkarten das Beste machen müssen - und zwar schnell! Besser noch: schneller als alle anderen!
Das Spiel gefällt auf den vierten Blick dadurch, dass derjenige, die eine Rolle wählt, immer einen kleinen Vorteil gegenüber den Mitspielern hat. So darf er z.B. eine Ware mehr produzieren (
Aufseher), verkaufen (
Händler), zahlt beim Bau eine Karte weniger als angegeben (
Baumeister), hat als
Ratsherr eine größere Auswahl, um sich eine passende auszusuchen oder schließlich als
Goldsucher als einziger einen Nutzen von der Rolle, alle anderen schauen hier ausnahmweise nur zu. Seien Sie sicher, dass Sie immer wieder gezwungen sein werden, einen Plan B durchzuführen, weil Ihnen die für den aktuellen Zug geplante Rolle bereits von jemand anderen weggeschnappt wurde!
(
Anmerkung zur 2-Spieler-Partie:
Hier wählt der Startspieler, der mit jedem neuen Zug wechselt, als Erster seine gewünschte Rolle aus, anschließend der Mitspieler und zuletzt noch einmal der Startspieler eine zweite Rolle, danach ist dieser Zug beendet und der Startspieler wechselt.
Gerade das ermöglicht zusätzliches taktisches Vorgehen und erhöht den Reiz des Spiel aus meiner Sicht erheblich. Dennoch - oder gerade deswegen: Ihr Gegner sieht meist schnell, was Ihnen in diesem Zug am meisten nützt. Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihr vorher so schön geplanter Zug (d.h. Ihre gewünschte Rolle) immer wieder vereitelt wird, nur um Ihnen einen dadurch möglichen Vorteil zu nehmen!) ;-P
Mir gefällt dieses Spiel ganz hervorragend, weil die Partien nie absolut identisch ablaufen. Selbst wenn man sich in den ersten Spielen bereits eine Strategie zurechtlegt, wird man doch von Spiel zu Spiel flexibel bleiben müssen, weil jedes Mal andere Karten in Ihrer Hand landen, aus denen Sie das Beste zu machen versuchen.
San Juan wird immer wieder bei uns als Zweierpartie auf den Tisch kommen, was nicht zuletzt daran liegt, dass ein Glücksfaktor durch das Nachziehen der mal mehr, mal weniger passenden Karten durchaus vorhanden ist. Gleichzeitig ist das Spiel aber jederzeit eine Herausforderung, so dass ich persönlich keine Empfehlung für bestimmte Spielertypen aussprechen möchte.
Meiner Partnerin und mir macht es immer wieder viel Spaß, uns aufs Neue darin zu messen - ein (nicht wirklich kleiner) Adelstitel für das Spiel!
Gero hat San Juan (en) klassifiziert.
(ansehen)