Superlemming ist ein lustiges Kartenspiel. Ich würde es fast schon als Partyspiel bezeichnen, auch wenn eine maximale Spieleranzahl von 5 natürlich nicht das beinhaltet, was man gemeinhin unter einem Partyspiel versteht. Aber es spielt sich am besten in geselliger Runde bei entsprechend gelöster Stimmung.
Worum geht es? Man spielt als Superlemming und versucht, so viele fremde Lemminge wie möglich davor zu retten, sich von der Klippe zu stürzen. Die fremden, wohlgemerkt, um als Held dazustehen. Die eigenen dürfen ruhig springen. Das klingt erst einmal abstrus, aber es passt zum schrägen Humor von NichtLustig (Joscha Sauer, der das Spiel illustriert hat). Irgendwie kommt es hin, aber für Leute, die den Humor nicht ganz so weit mitgehen wollen, könnte man es ganz einfach auch anders erklären: Der eigene Superlemming versucht, so viele Lemminge wie möglich zu retten - fremde, um den Dank des Besitzers zu erringen, und eigene, um sie auf immer in Sicherheit zu bringen. Fürs Spiel macht es keinen Unterschied, und vielleicht macht es anfangs das Verständnis auch einfacher. Pingelig sind die Superlemminge bei ihren Rettungsaktionen übrigens nicht - in jedem Fall haben sie den Sprung des Lemmings, der gerettet werden soll, selbst ausgelöst.
Wie funktioniert das nun? Zug um Zug spielt jeder Spieler einen seiner Lemminge aus und stellt ihn an eine Klippe. Sobald 4 (bei 2-3 Spielern) bzw. 5 (bei 4-5 Spielern) an einer Klippe stehen, springt der vorderste ... Aber auch schon vorher löst jeder neuankommende Lemming Aktionen aus, die die Lemmingreihen in Unordnungen bringen können, dem Spieler direkt Siegpunkte in Form geretteter Lemminge geben, neue Karten ziehen lassen oder zusätzliche Lemminge ins Spiel bringen. Wenn einer springt, so landet er zurück beim Besitzer, der im Gegenzug Siegpunkte verliert (und sich bedanken muss), bzw. wenn er durch den eigenen Superlemming gerettet wurde in dessen sicherem Siegpunktestapel. Sobald ein Spieler alle Karten aus der Hand und seinem Stapel losgeworden ist, ist das Spiel zu Ende und die Siegpunkte werden berechnet.
Zunächst einmal muss ich sagen, dass das Spiel bei uns bisher immer etwas zögerlich in Gang kam. Am Anfang werden zwar Aktionen ausgelöst, aber es passiert noch nicht wirklich was Bedeutsames. Das ändert sich schlagartig, wenn die ersten Lemminge springen. Dann geht die Action ziemlich schnell hin und her, und wenn jemand gerade weit in Führung scheint, dann kann das auch ganz schnell wieder vorbei sein. Auch sind die Spieler oft auch außerhalb des eigenen Zuges eingebunden, weil ihre Lemminge springen. Auch denkt man öfters mal, das Spiel sei so gut wie vorbei, aber wenn der Spieler, der seine Karten fast vollständig abgespielt hat, dann ein paar gerettete Lemminge zurück bekommt, kann es noch eine ganze Weile weitergehen.
Das Spiel hat zwei Varianten: einfaches und normales Spiel. Im einfachen Spiel werden nur die Aktionen der Klippen, nicht die der einzelnen Lemminge verwendet. Im normalen Spiel werden dann beide kombiniert. Erst einmal hört sich das nach keiner großen Sache an, aber in der Praxis ist schon das einfache Spiel zu Anfang einigermaßen verwirrend. Gerade wer noch keine große Spieleerfahrung hat, fängt daher definitiv besser erst einmal mit dem einfachen Spiel an.
Daneben sind die Klippenkarten beidseitig bedruckt. Zwei davon haben tatsächlich (leicht) unterschiedliche Versionen. Auch hier hört sich der Unterschied erst einmal nicht gravierend an, er macht sich jedoch deutlicher bemerkbar als man zunächst denkt. Die Spielregel empfiehlt, erst einmal mit der Version zu spielen, bei der die Aktion mit der jeweils obersten Karte des eigenen Stapels ausgelöst wird, während ich nach einigen Spielen ganz eindeutig zu der tendiere, bei der die Aktionen sich auf Handkarten beziehen. Der Grund dafür ist einfach: Im späteren Spielverlauf sind die Stapel oft aufgebraucht, die Spieler haben nur noch Handkarten. Da löst man dann sehr häufig Aktionen aus, die nicht durchführbar sind. Das macht mir auf Dauer Frust. Das "Zurückspielen" von Karten, das natürlich bei leeren Stapeln attraktiv werden könnte, funktioniert erstens nur mit gegnerischen Karten und wird zweitens zumindest dann, wenn man nicht in Führung liegt, eh schon belohnt, weil man den Gegner daran hindert, das Spiel schnell zu beenden (und ihn daran hindert, die eigenen Lemminge zu retten). Deshalb sehe ich absolut keine Vorteile beim Spiel mit der Stapel-Version der Klippenkarten.
Wie auch immer: Das Spiel ist eh schon wuselig, und man läuft auch (und sogar besonders) im einfachen Spiel Gefahr, im Eifer des Gefechts eine Aktion zu vergessen, die man eigentlich auslösen dürfte. Konzentration ist also nötig, und klare Absprachen, was passiert, wenn jemand vergesslich ist, sind noch nötiger, um Frust zu vermeiden - mein Tipp ist ganz brutal: Wer eine Aktion vergisst, hat Pech gehabt - die Aktionen sind eigentlich immer zu eigenen Gunsten, daher ist die Gefahr gering, dass das absichtlich ausgenutzt wird.
Thema Kinder: Das Spiel ist ab 8 Jahren empfohlen, und ich denke, das dürfte auch funktionieren. Jünger funktioniert eher nicht, da sicheres Lesen definitiv notwendig ist, vor allem in der normalen Variante, in der jeder Lemming seine eigene Aktion hat, die abgelesen werden muss. Bei Kindern vor dem Teeniealter denke ich allerdings, dass eine gewisse vorherige Spielerfahrung notwendig ist, da man schon Überblick braucht, um seine Aktionen sinnvoll zu planen und alles korrekt durchzuführen. Darüber hinaus ist auch eine gewisse Frustrationstoleranz notwendig - Superlemming ist eindeutig ein Ärgerspiel. Mit jemandem zu spielen, der nicht verlieren kann oder auch nur Teilniederlagen einstecken, dürfte keinem Spieler große Freude machen - egal ob Kind oder Erwachsener.
Wie anderswo auch schon zu lesen, macht das Spiel tendenziell mit mehr Spielern mehr Spaß. Ich finde allerdings, dass man es durchaus auch zu zweit ganz gut spielen kann. Was meines Erachtens nicht perfekt gelöst ist, ist die Balance für unterschiedliche Spielerzahlen. Mit fünf Spielern startet das Spiel relativ schnell, die ersten Lemminge können manchmal schon bald springen. Mit zwei Spielern vergehen dagegen die ersten Runden wirklich langsam, es passiert einfach noch nichts. Dass bei 2-3 Spielern beim vierten Lemming der vorderste springt und bei 4-5 Spielern beim fünften, sorgt schon für sehr gravierende Unterschiede je nach Spielerzahl. Und da der Anfang des Spiels nicht gerade der prickelndste Abschnitt ist, bedeutet das halt, dass bei zwei Spielern am Anfang auch länger nicht so sehr der Funke überspringt. Auch ist es bei zwei Spielern nicht so leicht möglich, einen Rückstand wieder aufzuholen, während bei fünf Spielern ein Vorsprung kaum eine Bedeutung zu haben scheint, weil sich alles sehr schnell ändern kann.
Insgesamt kann ich das Spiel guten Gewissens für die passenden Spielrunden empfehlen. Man darf sich vom Glücksfaktor nicht abschrecken haben und muss bei dem Humor mitgehen können, dann macht es Spaß. Als Absacker immer gut geeignet, wobei eine Partie mit vier oder fünf Spielern leicht auch mal mehr als die angegebenen 20 Minuten dauern kann.
Auf meinem Youtube-Channel findet ihr ein Unboxing: https://youtu.be/HX85skMS94w und ein Angespielt-Video mit Regelerklärung: https://youtu.be/oQu07aPL620
Irene hat Superlemming klassifiziert.
(ansehen)