Um eines vorweg zu nehmen: Till Meyer hat hier ein kleines Juwel geschaffen! Er hat ein neues, frisches Thema spannend umgesetzt, ohne dass man als Wenig- oder Gelegenheitspieler von einer Regelflut erschlagen wird!
Um was geht es? "Na, um was wird es wohl gehen, wenn das Spiel "Bankraub" heißt, Du Kleinganove?" werden Ihr vielleicht jetzt sagen. Aber so eindeutig ist es dann aber doch nicht! Es geht nicht darum, eine Bank zu überfallen, Kassierer und Kunden zu bedrohen und sich Wort- und Schusswechsel mit der Polizei zu geben, sondern eher wie bei "Oceans 11" darum, mit einem Team von Spezialisten des Nachts in eine gesicherte Bank einzusteigen und mit dem Geld zu entkommen. "Also schon wieder ein kooperatives Spiel, mit denen man sich derzeit häufig rumschlagen muss?", heißt es vielleicht jetzt bei Euch. Da kann ich Euch aber schon mal beruhigen: Es enthält zwar ein kooperatives Element, fühlt sich aber nicht nach einem kooperativen Spiel an!
1.) Spielablauf
Jeder Spieler plant gleichzeitig einer der 4 Banken auf dem Spielbrett auszurauben. Dieses stellt die Häusergassen einer fiktiven Stadt bei Nacht dar und wird zu Beginn des Spiels aus vier von acht Spielplanteilen zusammen gesetzt. In dieser "Planungsphase" zieht jeder Spieler Karten und legt nicht gewünschte Karten ab. In dieser Phase hat jeder Spieler stets 11 Karten auf der Hand und versucht so,
sich gute Vorraussetzungen für einen erfolgreichen Bankraub zu schaffen. Es gibt drei verschiedenen Kartenstapel (und Ablagestapel): Der erste Stapel enthält Karten mit Bankplänen und Zugangskarten zu sicheren Unterschlupfen, die man erreichen muss, um einen Raub erfolgreich abzuschließen - sie liegen stets in den Ecken des Spielplanes. Ohne mindestens einen Bankplan und eine Unterschlupfkarte ist kein
erfolgreicher Bankraub möglich! Der zweite Stapel enthält die Ganoven, die einem bei dem Raub unterstützen. Es gibt Tresorknacker, Elektriker, Fahrer und Gorillas. Sie werden für die unterschiedlichen Aufgaben beim Raub benötigt: Hat die Bank einen Tresor, kann man sie nur ausrauben, wenn am einen Tresorknacker bei den Handkarten hat. Für Banken mit Alarmanlagen braucht man den Elektriker und pro Wachmann in der Bank benötigt man einen Gorilla, um diesen auszuschalten. Welche Bank mit Tresor, Alarmanlage und Wachpersonal ausgestattet ist, wird zu Beginn mit dem Würfel festgestellt.
Ein Fahrer im Team wird nur benötigt, wenn man plant, auf der Flucht, eine Autokarte zu spielen. Und damit kommen wir auch zum dritten und letzten Kartenstapel: Den Ereignis- bzw. Bewegungskarten! Diese erleichtern die Flucht mitunter ungemein und stellen so sicher, dass man mit der Beute den Unterschlupf auch erreicht.
Die Planungsphase endet, sobald ein Spieler der Meinung ist, die richtigen Karten auf der Hand zu haben, um bei einem Bankraub erfolgreich sein zu können. Er ruft "Bankraub" und beendet damit die Planungsphase. Die übrigen Spieler schauen jetzt aber nicht in die Röhre, sondern werden zu Jägern, die die räuberische Gang stellen und die Belohnung einstreichen wollen (jeder Spieler 10% des geraubten Geldes). Dabei können und müssen sie ihrerseits ihre Karten einsetzen. Bevor der Bankräuber mit dem Auslegen einer Bankplankarte bekannt gibt, welcher der vier Banken er
ausrauben möchte, müssen die Jäger ihre Spielfiguren auf einem der Startpunkte des Stadtplanes plazieren. Der Räuber legt dann zusätzlich zum Bankplan alle Spezialisten aus, die er benötigt, um die jeweilige Bank auszurauben. Danach würfelt der Räuber und gemäß Ergebnis seine Spielfigur 1 bis 4 Felder aus der ausgeraubten Bank heraus. An dem Lichtschein vor den Häusern auf dem Spielplan kann man erkennen, wo Häuser betreten und verlassen werden können. Danach ist der Jäger dran, der im Uhrzeigersinn dem Räuber folgt. Vor dem Würfeln dürfen die Jäger weiter ein Karte ziehen und eine andere aus ihrer Hand ablegen - der Räuber darf dies nicht! So ist es den Jägern möglich, während der Jagd brauchbare Karten zu bekommen und unbrauchbar loszuwerden. Der Jäger versucht nun, aus das Feld des Räubers zu gelangen, um ihn zu stellen. Bei Flucht und Verfolgung dürfen die Spieler stets Karten aus der Hand spielen, um ihr Ziel zu erreichen. Autokarten ermöglichen Spielern, wenn sie einen Fahrer auslegen oder bereits ausgelegt haben, statt zu würfeln je nach Wagen 4 oder 5 Felder ziehen zu können. Strassenbahnkarten erlauben die Benutzung des CableCar, bei dem zur Bewegung nur die Haltestellen und nicht die Felder gezählt werden, Strassensperren sperren einzelne Felder für den Räuber und Gefälschte Pässe erlauben diesem die Strassensperren dennoch unbehelligt zu passieren. Häuserkarten erlauben Räuber und Jägern Häuser zu durchschreiten und so den Weg abzukürzen. Erreicht der Räuber so schweißgebadet einen Unterschlupf, muss er nur noch die passende Unterschlupfkarte ausspielen, um den Bankraub erfolgreich abzuschließen und das Geld auf sein Schweizer Nummernkonto einzuzahlen. Doch halt! Die beteiligten Ganoven wollen nun noch ihren Anteil! Nach alter Mafiasitte stehen jeder "Familie", die an dem Raub beteiligt war, ein Viertel der Beute zu! An den
Farben auf den Ganovenkarten erkennt man, zu welcher Familie der Ganove gehört. Hat man nun Ganoven aller 4 Farben, äh Familien, in seiner Gang ist das Geld komplett weg und man kann sich nur noch damit brüsten, einen sehenswerten Raub hingelegt zu haben. Der Spott der Unterwelt ist einem sicher und man geht mit der Wahl seiner Teammitglieder das nächste Mal umsichtiger um...
Heh Moment! Wie ist das denn nun, wenn man den Räuber fangen möchte? Dazu ist es erforderlich, als Jäger seine Spielfigur in eigenen Spielzug auf das gleiche Feld des Räubers zu bekommen. Dann kommt es zum Showdown! Der Jäger muss nun so viele Ganovenkarten ausgelegen, um die Stärke der Gang des Bankräubers zu übertreffen (ein Gorilla besitzt 2 Stärkepunkte - jeder andere Ganove einen Stärkepunkt). Schafft
(oder will) der Jäger nicht genügend Ganovenkarten ausspielen, passiert nichts. Übertrifft der Jäger den Räuber an Stärke, kann dieser weitere Ganoven auslegen, um wieder gleichzuziehen oder den Jäger zu übertreffen. Dann darf der Jäger wiederum weitere Karten legen usw. bis keiner mehr Karten legt. War der Jäger stärker steht dieser nun vor einer folgendschweren Entscheidung: Liefert er die Gang der Polizei
aus und kassiert - wie die übrigen Jäger - 10% der Beute oder schnappt er sich die gesamte Beute und versucht selbst zu einem Unterschlupf zu gelangen. Im letzteren Fall ist der ehemaliger Jäger sofort am Zug und setzt das Spiel als Räuber fort, während der ehemalige Räuber zum Jäger wird. Alle ausgespielten Karten bleiben erhalten! Die Jagd wird solange fortgesetzt, bis der Räuber einen Unterschlupf erreicht oder mit seiner Gang im Knast sitzt. Danach wird die ausgeraubte Bank wieder per Würfel neu ausgestattet, alle Spielfiguren vom Brett genommen, alle Kartenhände wieder auf 11 Karten aufgefüllt und dann eine erneute Planungsphase gestartet. Das Spiel endet nach einer vorher festgelegten Anzahl an Bankrauben. Wer dann das meiste Geld sein Eigen nennt, gewinnt!
2.) Erweiterungen
Dem Spiel liegen 2 "Einbruchserweiterungen" bei, bei denen Räuber wie Jäger beim Durchschreiten von Häusern dort verdeckt plazierte "Beutestücke" an sich nehmen können. Hierbei kann es sich um nützlich Gegenstände handeln, die wie entsprechende Karten ausgespielt werden können, oder um wertvolle Besitztümer der Bewohner, die am ende wie bares Geld gewertet werden. Aber vorsichtig! Eventuell trifft man auch auf Alarmanlagen, Dobermänner oder eine nudelholzschwingende Grossmutter!
Neben den Einbruchserweiterungen gibt es noch andere Erweiterungen, die exklusiv von denjenigen Spielern erworben werden können, die das Spiel bei der "Spieleschmiede" gefördert haben. Diese sind:
"Die Krösusgang": Karten einer weiteren "Familie", die aber schon so reich ist, dass sich aus Spass sich an Bankrauben beteiligt ist oder so keinen Anteil an der Beute verlangt.
"Die Kanalratten": Karten und Kanaldecken-Chips, die Flucht und Verfolgung durch die Kanalisation der Stadt erlauben
"Spieltrieb-CableCar": Strassenbahnkarten, die das Aussteigen zwischen zwei Haltstellen erlauben
3.) Bewertung
Ich habe das Spiel bisher nur ohne Einbruchserweiterung (aber mit den übrigen Exklusiverweiterungen) in 4er und 5er Runden gespielt und es hat allen Beteiligten viel Spass gemacht! Natürlich kann man auch hier Pech haben, wenn man kurz vor einem guten Handkartenblatt steht und dann der Nachbarspieler "Bankraub" ruft. Aber auch in dieser Situation hat man die Möglichkeit, keine oder nur wenige Karten bei der Verfolgung zu verbrauchen und stattdessen sich schon ein gutes Blatt für den nächsten Raub zurecht zu ziehen. Es gab in unseren Runden extrem kurze Planungsrunden und Verfolgungsrunden (wenn der Räuber als einziger mit dem 5er-Auto unterwegs ist, wird's sehr schwer für die Verfolger), dann aber auch eine Verfolgung, die über eine halbe Stunde gedauert hat und sehr spannend war. In meinen Runden waren sowohl Vielspieler als auch Gelegenheitspieler anwesend und allen hat das Spiel sehr gefallen. Besonders der relativ geringe Schwierigkeitsgrad (wenn man ohne Erweiterungen spielt) ist einsteigerfreundlich und erlaubt auch spontane Spielerunden mit Neulingen in der Brettspielwelt. Das Thema ist meines Erachtens spielerisch wie optisch gut umgesetzt werden, auch wenn der Realismus ab und zu auf der Stecke bleibt ("wieso kann man die 5 Bewegungspunkte des Autos auch zum Strassenbahnfahren verwenden?"). Dies ist aber der Spielmechanik geschuldet, um spannende und damit spassige Verfolgungen zu erleben. Aber es ist auch ein Spiel und keine "Bankraubsimulation"! Der Preis von derzeit knappen 35 Euro erscheint auf den ersten Blick etwas hoch, jedoch ist hier zu beachten, dass die derzeit verfügbaren Exemplare einer Auflage von 1000 Stück entspringen, während Spiele grosser Verlage in weitaus grösseren Auflagen erscheinen, die dann entsprechend kostengünstiger produziert werden konnten...
4.) Fazit
Los Ihr Möchtegern-Ganoven! Sichert Euch Euren Platz in der Geschichte der grossen Raubüberfälle und bestellt "Bankraub" noch heute, bevor alle 1000 Stück in den Händen anderer ehrenhafter Familien liegen!
Danke für's Lesen!