Autor: Tony Boydell
Verlag: Lookout Games
Spieler: 1 - 5 ab 12 Jahren
Dauer: 60 - 90 Min.
Snowdonia ist so etwas wie ein Geheimtipp der letzten Messe in Essen. Ein sehr gutes Spiel, aber nicht sehr bekannt. Das wird sich hoffentlich noch ändern. Das Spiel hätte es verdient.
SPIELIDEE
Wir befinden uns in Wales Ende des 19. Jahrhunderts. Die Spieler bauen gemeinsam eine Zugverbindung auf den höchsten Berg des Landes, den knapp 1100 Meter hohen Mount Snowdon. Rund um den Spielplan liegen Karten für die Bahnstationen und dazwischen Karten für die einzelnen Gleisabschnitte. Auf die Karten kommen Geröllsteinchen, die zunächst geräumt werden müssen, bevor ein Gleis verlegt oder eine Bahnstation ausgebaut werden kann. Das Spiel endet, wenn der letzte Gleisabschnitt verlegt wurde.
SPIELABLAUF
Jeder Spieler hat vier Spielfiguren, von denen immer zwei zur Verfügung stehen, um Aktionsfelder zu besetzen (klassischer Workerplacement-Mechanismus). Ein dritter Arbeiter hält sich im Pub auf und kann am Rundenanfang gegen Zahlung von einem Kohlenwürfel angeworben werden, so dass man für diese Runde drei Mann zum Einsetzen hat. Die vierte Spielfigur ist der „Landvermesser“. Dieser kann im Lauf des Spiels von Station zu Station den Berg hoch bewegt werden und bringt am Ende umso mehr Punkte, je höher er geklettert ist.
Die einzelnen möglichen Aktionen sind schnell erfasst und erklärt:
1. Der Spieler nimmt drei Rohstoffwürfel aus dem Markt. Dort gibt es Eisen, Steine und Kohle (von dieser darf max. 1 Würfel genommen werden).
2. Der Spieler räumt Geröll von den Gleis- und Stationskarten und behält das Geröll in seinem Vorrat.
3. Der Spieler verarbeitet Rohstoffe - drei Eisenwürfel werden zu einem Stahlträger oder zwei Geröllsteinchen werden zu einem Stein.
4. Der Spieler verlegt Schienen, was pro Gleiskarte 1 Stahl kostet und Punkte bringt. Hierzu muss die Gleiskarte bereits von Geröll befreit sein. Sie wird nach dem Bau umgedreht und mit einem Besitzmarker des Spielers versehen.
5. Der Spieler baut eine Bahnstation aus oder kauft sich eine Lokomotive.
Der Ausbau der Station kostet Steine oder Stahl und bringt Punkte für die Endabrechnung. Lokomotiven kosten Stahl und helfen den Spielern bei bestimmten Aktionen, z. B. kann man damit pro Aktion mehr Geröll wegräumen, mehr Schienen verlegen oder mehr Rohstoffe aus dem Markt nehmen.
6. Der Spieler nimmt sich eine Auftragskarte. Davon liegen stets drei offen aus. Eine Auftragskarte kann einmalig während der Aktionsphase eingesetzt werden und bringt für eine bestimmte Aktion Vorteile, z. B. kann man sich mehr Rohstoffe vom Markt nehmen (Aktion 1), die doppelte Menge an Geröll wegräumen (Aktion 2) oder Rohstoffe effektiver verarbeiten (Aktion 3). Zudem bringen die Auftragskarten am Ende auch noch massig Bonuspunkte, wenn man deren Bedingung erfüllt, z. B. 4 Gleise verlegen, 16 Geröllsteinchen sammeln oder 6 Bahnhofsausbauten errichten.
7. Der Landvermesser bewegt sich eine Station weiter in Richtung Endstation auf dem Gipfel des Mount Snowdon.
Interessant ist auch der Einfluss des Wetters: Bei Sonne steigt die Produktivität beim Geröllräumen und Gleisverlegen, bei Regen sinkt diese. Bei Nebel sind diese Aktionen überhaupt nicht möglich. Bekannt sind immer die Wetteraussichten der kommenden beiden Tage. Seine Aktionen sollte man tunlichst daraufhin ausrichten.
Zudem kommen zufällige Ereignisse ins Spiel, die das Spiel abwechslungsreich und spannend machen. So räumen plötzlich Fremdfirmen ganze Gleisabschnitte frei, bauen eine Station fertig oder verlegen Schienen. In dem Fall kann das Spiel viel schneller enden als erwartet.
Am Ende werden die Punkte auf den erbauten Gleisabschnitten und Stationskarten, sowie die auf den Auftragskarten ausgewiesenen Bonuspunkte ermittelt. Sieger ist überraschenderweise der Spieler mit den meisten Punkten.
BEWERTUNG
Snowdonia macht richtig Spaß! Das Szenario (Eisenbahnbau) ist lebendig und wirkt vertraut, aber doch irgendwie neu (Wales!). Durch den bekannten Workerplacement-Mechanismus und die klaren, überschaubaren Aktionsmöglichkeiten ist man sofort im Spiel drin. Man denkt zumindest, dass völlig klar ist, worauf es ankommt. Das Spiel ist aber raffinierter, als man meint. Die offensichtliche Strategie (Eisen nehmen, Stahl produzieren, Schienen verlegen) ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, um Punkte zu machen.
Zudem kann man oft gar nicht das umsetzen, was man sich vorgenommen hat. Räume ich Schienen von Geröll frei, kommt mir ein anderer aber möglicherweise bei Gleisbau zuvor, weil ich z. B. in der Runde noch keinen Stahl habe. Ich kann z. B. auch darauf spekulieren, dass andere das Geröll schon wegräumen werden und ich dann dafür die Bahnstation ausbaue. Vorausplanung ist daher alles.
Ohne Auftragskarten kann man zudem nur sehr schwer gewinnen, weil diese während des Spiels wichtige Vorteile bringen um am Ende viele Punkte wert sind, wenn man sie erfüllen kann (was zum Teil gar nicht so einfach ist). Die Lokomotiven sind dagegen ein hilfreiches Beiwerk, aber zum Gewinn nicht unbedingt notwendig. Von ihren Funktionen könnte man die Loks am ehesten als „dauerhafte Auftragskarten“ bezeichnen, da sie ähnliche Vorteile bei den Aktionen bringen, aber - anders als eine Auftragskarte - nicht nur ein Mal eingesetzt werden können. Die Loks sind allerdings teuer - sie kosten ein oder zwei des wertvollen Stahls, den man eigentlich für den Gleisbau braucht. Einen weiteren gewichtigen Vorteil haben die Loks aber: Nur wer eine Lok hat, kann den dritten Arbeiter aus der Kneipe anwerben. Damit hat man bei der Aktionswahl größere Flexibilität und mehr Möglichkeiten.
Gut ist, dass die Aktionsfelder je nach Spielerzahl flexibel angepasst werden, so dass in jeder Besetzung ein ausgewogenes Spiel möglich ist.
Das Spiel wird durch Details wie den Wettereinfluss, die zufälligen Ereignisse oder die Auftragskarten besonders interessant. Interaktion findet vor allem dadurch statt, dass man den Mitspielern Auftragskarten oder Aktionsfelder wegschnappt und ihnen beim Gleisbau oder anderem zuvorkommt.
Das Material ist stabil und schön gestaltet, der Spielplan ist übersichtlich und enthält viele relevante Spielinformationen. Der Rest steht auf Zusatzkärtchen, so dass alle Infos schnell gefunden werden können. Die Spielregel selbst ist allerdings nicht ganz so leicht verständlich. Man muss sie schon mehrmals lesen. Spätestens nach einer Probepartie ist aber alles klar.
Die Spieldauer ist angenehm kurz. Es gibt zudem sehr wenig Downtime zwischen den Zügen, weil es wenig zu Grübeln gibt und die Aktionen schnell gemacht sind.
FAZIT
Snowdonia ist ein absolute Empfehlung für Strategiespieler. Vielspieler haben ihre Freude an dem Spiel. Wegen des gut umgesetzten Themas und der schnörkellosen Mechanismen werden aber auch Gelegenheitsspieler Zugang dazu finden. Ein wirklich schönes Spiel, das seine fünf Punkte mehr als verdient hat und schon fast an der „sechs“ kratzt.