Essence wurde noch von niemandem bewertet????? Ja, ei, wieso dann das net?
Ei, dann mo´ ischemo....
Zuvörderst soll es mir erlaubt sein, zu verkünden, daß ich diese Kommunikationsspiele a´la, "Welche Farbe hat deine Unterhose?" auf Deubel komm´ raus nicht ausstehen kann. Ich bin da glaube ich echt Therapy-geschädigt. Traumatische Erinnerungen an lautstarke Rückwege durch dunkle,trübnasse Straßen in intensiver gegenseitiger Zerknirschung mit meiner temporären Lebensabschnittspartnerin befangen.... ja, irgendwie so.
Tja, und dann kam mir Essence auf den Tisch.
Und ich war begeistert! Claas Fischer hat es fertig gebracht, ein einerseits tiefgründiges, intensives Kommunikationsspiel hinzulegen, daß Spaß macht, zeitweilig lustig ist, zu Diskussionen über Begrifflichkeiten anregt, und dabei komplett - auch ansatzweise nicht - ohne diesen Peinlichkeitsfaktor auskommt.
(Sollte es jemand doch mal zu nahe gehen, dann kann ohne weiteres gepaßt werden, aber ehrlich ..... in bestimmt 30, 40 Spielrunden ist das noch nicht einmal vorgekommen.) Die Qualität des Spiel kommt also vollkommen ohne emotionales Entblößen aus. Selbst wenn eine Spielrunde es darauf anlegen würde, ich kann mir nicht vorstellen, daß das mit diesem Spiel ginge. (Solln se doch Therapy spielen....).
Okay, genug gehudelt. Was geht ab, Alder?
Es gibt im Grundspiel drei Stapel Karten: Werte, Eigenschaften und Quellen.
Wer an der Reihe ist, wählt eine von zwei ausliegenden "Wege"-Karten und bestimmt damit, was er/sie tun möchte (es kommt mal vor, daß zwei identische Wege-Karten ausliegen, aber eher selten.
Man könnte z.B. wählen zwischen a) Wie wichtig ist mir dieser Wert? oder b) welche (von drei) Eigenschaften zeichnet mich aus?
Im ersten Fall zieht man eine Werte-Karte, sagen wir mal: "Zusammenarbeit". Nun bestimmt man mit Zahl-Karten von 1-5, wie wichtig einem selbst Zusammenarbeit ist. 5 würde bedeuten, daß man ständig und immerdar mit anderen zusammen arbeitet, 1 würde bedeuten, daß man Zusammenarbeit für ein Schmerzmittel hält und noch nicht mal buchstabieren kann.
Alle anderen Spieler/innen versuchen eine ihrer Zahl-Karten zu wählen, die der des Startspielers entspricht.
Bei Übereinstimmung gibt´s Münzen (vulgo: Gewinnpunkte).
Bei der Eigenschaftsfrage zieht man drei Eigenschafts-Karten und legt sie am Mitteltableau ab, so das jede Karte der 1, 2 oder 3 zugeordnet ist. Jetzt bestimmt man mit drei Zahl-Karten, welche Eigenschaft einen selbst am Ehesten auszeichnet.
Die anderen mache es dito und wieder gibt es bei Übereinstimmung Münzen.
Es gibt noch eine ganze Reihe mehr Wegekarten und damit Spielmöglichkeiten, aber das soll hier erst mal reichen.
Das Grundprinzip ist klar, ja?! Ich hab´ ja auch nicht gesagt, daß Claas Fischer das Rad neu erfunden hat. Aber er hat das Rad auf jeden Fall handwerklich sehr fein geschnitzt und außerdem noch wohlfeil angemalt.
Sehr nett ist auch, daß Essence noch einen schönen taktischen Touch hat: Man braucht je nach Spieler/innen-Anzahl unterschiedlich viele Münzen und die auch noch in drei Farben - Gold, Bronze und Silber. Und außerdem noch Essence-Punkte, die sich ergeben, wenn man Karten sammelt.
Es ist also manchmal sinnvoll, eine bestimmte Wege-Karte zu wählen, weil dann eventuell als Gewinn genau die Punkte winken, die man dringend braucht. Und in Gruppen die sich kennen, muß ich mir mitunter überlegen: soll ich jetzt eine ehrliche Bewertung abgeben, wenn ich ziemlich sicher bin, daß die anderen mich anders einschätzen?
Da läuft Kommunikation häufig auf einer Meta-Ebene ab.
Absolut göttlich.
Aber trotz taktischen Aspekten..... Essence ist offensichtlich nur was für Leute, die gerne über sich und andere nachdenken und auch drüber reden wollen.
Der Ork- oder Kathedralenbau-Typus unter den Spieler wird hier definitiv zu kurz kommen. Sollte man Essence auf den Tisch legen und hören: "EY, ich will dich nicht kennen lernen, ich will dir einfach nur gepflegt die Fresse polieren!", ja.... dann sollte man den Karton einfach still wieder weg packen und irgendwas von "Uups. Daneben gegriffen...." faseln.
Und: diese Rezension wäre nicht vollständig, wenn ich nicht die Geastaltung von Christian Opperer erwähnen würde, der seinen Job sehr toll gemacht hat. Ich hoffe, wir swehen noch mehr von dem Mann.
Auch so einer, der noch weiß, mit welchem Ende ein Stift einen Strich auf´s Papioer macht.....
Seit kurzem gibt es die Erweiterung "Archetypen und Emotionen". Ich habe sie bereits hier liegen, aber vor lauter Spiele-Erfinden komme ich nicht zum Spielen. Verdammte Sauzucht!