Spyrium - mein Ersteindruck
Spyrium ist ein Kristall, dass einen hohen energetischen Gehalt hat. In einem alternativen viktorianischen England wird es abgebaut und vermarktet von pfiffigen Industriebossen, in deren Rolle wir als Spieler schlüpfen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Siegpunkte einzufahren.
Zugegeben, das Thema ist dünn wie Diane Riggs Nigligee in " Im Geheimdienst Ihrer Majestät", das Material setzt das Thema aber recht stimmig um. Auf der relativ kleinen Schachtel schaut uns ein Bergmann mit dezent steam-punkigem Outfit finster an, während im Hintergrund die englische Fahne weht, Zeppeline kreisen und sich riesige Zahnräder vor rauchenden Fabrikschloten drehen. Der Name des Autors duckt sich etwas verschämt unter dem dicken, retro-futuristischen Spyrium-Schriftzug, dabei hat William Attia keinen Grund, bescheiden zu sein, präsentierte er uns doch schon ein Meisterwerk wie Caylus. Und auch Spyrium ist keine Gurke, wenngleich es kein zweites Caylus ist und auch nicht sein will.
Beim Öffnen der Schachtel fällt zunächst auf, wie wenig Material in der Schachtel ist. Gut, mit einem faltbaren Plan hätte die die Schachtel nur halb so groß sein müssen, dann wäre sie prall gefüllt, ließe sich aber schlecht zum angegebenen Preis verkaufen. Der Punkt geht an Ystari :-) .
35 Arbeiter in fünf Farben (die Carcassonne-Meeple), 20 Holzscheiben, in den gleichen Farben. 50 grüne Spyrium-Kritalle ( Ubongo lässt grüssen!), Geld, Zahlen- und Bonusplättchen aus Pappe, ca. 60 Karten, ein Tableau zur Verwaltung und eine Regel. Diese ist reich bebildert, verständlich geschrieben und trotz ihrer 12 Seiten nicht allzu umfangreich, da der eigentliche Spielverlauf nur 4 Seiten in Anspruch nimmt, dafür ist jede Karte des Spiels ist in der Regel beschrieben.
Der Spielaufbau geht rasch. Das Tableau wird ausgelegt, die kleinen Bonusmarker auf Höhe des Feldes 8 der Siegpunktleiste gelegt. Je eine Holzscheibe in den Farben der teilnehmenden Spieler kommt auf das Feld der Phase 1, auf das Feld 0 der Siegpunktleiste, auf das erste Feld der Residenzleiste, die unser Grundeinkommen am Anfang der Runde vorgibt, eine Scheibe legt man zuguterletzt vor sich ab. 6 der 7 Ereigniskarten kommen mit auf das Tableau, 5 davon als offener Nachziehstapel auf die Seite der zukünftigen Ereignisse, eine liegt als gegenwärtiges Ereignis aus. Jeder Spieler erhält drei Arbeiter, die er auf seine Basiskarte stellt, zwei Spyriumkristalle und 8£ Startkapital. Der Rest an Geld, Meeple und Kristallen kommt ebenso wie die verdeckten Zahlenplättchen mit den Werten 1 bis 3 zum Vorrat neben das Tableau. Die Gebäude-, Patent- und Spezialistenkarten werden noch ihren Rückseiten in A, B und C sortiert und der jeweilige Stapel gemischt. Vom Stapel A legt man ein Raster von 3 x 3 Karten aus, wo es sein muss kommen noch Zahlenplättchen aufgedeckt auf die Karten. Fertig ist die Vorbereitung. Ging fast so schnell wie diesen Absatz zu lesen.
Was vor einem auf dem Tisch liegt, sieht nicht nach sehr viel aus. Ein kleiner Vorrat an Pappmarkern, ein Täfelchen zur Spielverwaltung, ein paar Karten mit kryptischen Symbolen, ein paar Meeple. Hm, mag sich da manch einer denken, das soll ein vernünftiges Spiel werden? Ich sage: Und ob!
Das Spiel gliedert sich in 6 Runden zu je 2 Phasen + etwas Verwaltungsarbeit. Zuerst erhält jeder Spieler sein Grundeinkommen nach der Position auf der Residenzleiste. Das können zwischen 2 und 7£ sein. Benutzte Arbeiter aus der vorherigen Runde kommen wieder auf die Basiskarte, unbenutzte Karten aus der Auslge werden abgeräumt und durch neun neue ersetzt.
Dann beginnt die Runde mit Phase I. Jeder Spieler hat die Möglichkeit, in dieser Phase Arbeiter in den Raum ZWISCHEN zwei Karten zu setzen (wobei es keine Einschränkungen gibt, wieviele Arbeiter in einem Zwischenraum stehen dürfen), das gegenwärtige Ereignis zu nutzen ( einmal pro Runde. Wird es genutzt, wird die letzte Holzscheibedes Spielers auf das gegenwärtige Ereignis gelegt), oder in Phase zwei zu wechseln, ohne dass ein Zurückwechseln in Phase 1 möglich ist. Der Wechsel in Phase zwei kann unbhängig von anderen Spielern erfolgen. Und während Blau noch in Phase eins seine Arbeiter in die Zwischenräume setzt, fängt Gelb schon an, die Arbeiter zu aktivieren. Das ist neu, das ist originell, das ist innovativ und gibt dem ausgelutschten Worker-Placement eine neue Facette.
Wechselt ein Spieler in Phase 2, verschiebt er zuerst seine Holzscheibe auf das entsprechende Feld auf der Spieltafel, dann kann der Spieler aus einigen Aktionen wählen.
Wenn das Ereignis noch nicht in Phase 1 genutzt wurde, kann man es in der zweiten Phase nutzen. Die Ereigniskarten zeigen Sonderaktionen. So kann man gegen Abgabe von Spyrium an Geld kommen, gegen Abgabe von Geld an Arbeiter, man kann ein Gebäude ein zweites mal nutzen u.s.w. Es wird zu Beginn jeder Runde eine neue Ereigniskarte aufgedeckt, das zukünftige Ereignis ist ebenfalls bekannt, so dass eine bessere Vorausplanung möglich ist.
Eine weitere Aktion ist das Karten aktivieren, d.h. in diesem Fall aus der Auslage kaufen, an der ein eigener Arbeiter angrenzt. Der Arbeiter wird entfernt. Der Grundpreis ist auf der Karte angegeben, für jeden weiteren Arbeiter- auch die eigene Farbe zählen - der neben der Karte steht, rechnet man 1£ zum Grundpreis hinzu. So können vermeintlich günstige Karten recht schnell teuer werden. Außerdem können nur Karten erworben werden, an die ein eigener Arbeiter steht.
In der Auslage können drei Sorten von Karten liegen. Gebäude dienen zur Produktion von Spyrium, zur Umsetzung der Kristalle in Siegpunkte, zur Verbesserung des Grundeinkommens und zur Erhöhung Anzahl der Arbeiter. Einige bingen besonders viele Siegpunkte mit, haben aber keine spezielle Funktion. Gekaufte Gebäude legt man rechts der Basiskarte ab. Und wäre es nicht schon teuer genug, die Grundkosten und für die rundherum lungernden Arbeiter zu bezahlen, nein, ein Gebäude braucht auch einen Bauplatz, der extra bezahlt werden will. Je mehr Gebäude vor einem liegen, desto teurer wird der Bauplatz. Baukosten lassen sich aber senken, indem man Gebäude überbaut.
Spezialistenkarten erfüllen zwar einen ähnlichen Zweck wie die Gebäude, bleiben aber in der Auslage liegen. Viele der abgebildeten Spezialisten haben variable Kosten oder Erträge, die durch die Zahlenplättchen dargestellt werden. Wo ein Symbol vorhanden ist, kommt immer ein Zahlenplättchen weniger auf die Karten als Spieler teilnehmen. Bilden sie Erträge ab, sind Plättchen mkt hohen Werten begehrt, handelt es sich um Kosten, kommt der Geizkragen in uns zum Vorschein und setzt auf die niedrigen Plättchen. Nach der Nutzung eines Spezialisten wird eins der Zahlenplättchen entfernt, wenn keins mehr ausliegt, kann der Spezialist nicht mehr arbeiten und liegt nutzlos in der Auslage. Auch bei diesem Kartentyp kommen flexible Kosten in Höhe der angrenzenden Arbeiter auf einen zu. Patentkarten bringen einem Vorteile während des Spiels und maximal zusätzliche 7 Siegpunkte am Ende. Wenn man früh im Spiel ein Patent erwirbt, kann das den Geldbeutel arg strapazieren, lohnt sich langfristig gesehen aber. So reduziert zum Beispiel das Patent Baukran die Kosten der Bauplätze um bis zu 3£ (und nicht die Kosten für Gebäude! Kleiner Stolperstein!) und bringt pro gebautem Gebäude einen Siegpunkt. Die anderen Patente funktionieren ähnlich. Um die Patente nicht mit den Gebäudekarten zu vermischen, werden diese links von der Basiskarte abgelegt.
Eine angenehmere Aktion als das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster zu werfen, ist für uns findige Industriebosse das Verdienen von Geld. Das funktioniert, indem ich eine Karte aus der Auslage auswähle, an der ein eigener Gefolgsmann steht. Diesen nehme ich zurück und erhalte so viel £, wie Arbeiter an dieser Karte stehen bleiben.
Stehen noch ungenutzte Arbeiter auf der Basiskarte (zurückgenommene Arbeiter aus der Auslage werden neben der Basiskarte platziert!), so kann man diese noch verwenden, um seine gebauten Gebäude zu nutzen und Spyrium zu produzieren oder Siegpunkte zu generieren. Zwar produzieren einigen Minen auch ohne Arbeiter Spyrium, aber die Ausbeute ist durch den Arbeitereinsatz größer.
Die letzte Aktionsmöglichkeit, die man hat, ist passen. Dies darf man nur, wenn alle eigenen Arbeiter aus dem Kartenraster entfernt wurden. Man darf auch nicht wieder ins Spiel einsteigen.
Erreicht ein Spieler während des Spiels 8 Siegpunkte, erhält dieser einen Bonus (5£ oder einen Arbeiter). Das entsprechene Bonusplättchen wird entfernt. Erreicht er die 20 Siegpunkte, erhält er den anderen Bonus. Immer, wenn der Spieler auf der Residenzleiste vorrücken darf, kann er statt des Vorrückens auch Siegpunkte entsprechend seiner ktuellen Position nehmen.
Das Spiel endet nach 6 Runden (3 Runden mit Kartenstapel A, 2 mit B, 1 mit C). Sieger ist der Spieler mit den meisten Siegpunkten.
Nach der anfänglichen Enttäuschung über das wenige Material musste ich erstaunt feststellen, das doch recht viel Spiel in Spyrium steckt und dieses auch wirklich gut ist. Im Kern ist das Spiel recht einfach, verlangt aber verzwickte Entscheidungen. Alles ist in Spyrium knapp, vor allem das Geld. Spyrium lässt einen verzweifeln. Stehen viele Arbeiter zusammen, kann man viel Geld verdienen, aber die Karten sind teuer. Werden Arbeiter weggenommen, werden die Karten billiger, aber das Geld verdienen klappt nicht richtig. Oder man wartet auf einen günstigen Preis für eine Karte, aber jemand nutzt sie vorher und mein Arbeiter steht im nutzlos im luftleeren Raum. Klassisches Blockieren von Aktionen wie in anderen WP-Spielen gibt es nicht, die Mechanismen empfinde ich als unverbraucht.
Obwohl das Raster zu zweit nicht kleiner wird, sucht man doch die Nähre zum anderen. Geld zu verdienen ist deutlich schwerer als im Spiel mit mehr Teilnehmern, aber die Karten können günstiger erworben werden. Trotzdem macht das Gerangel mit 3 und 4 Spielern mehr Spaß, die Spannung während der zweiten Phase in der Auslage ist einfach höher, die Entscheidungen werden kniffliger, man kann schlechter voraussagen, wieviel Zeig bleibt, um eine Karte zu kaufen. Und genau das werden einige Spieler sicherlich in ihren Kritiken dem Spiel vorwerfen, dass man nur den Mitspielern ausgeliefert ist, zu wenig Einfluss auf das Geschehen hat u.s.w., aber das führt in meinen Augen aber immer wieder zu spannenden Momenten. Zu fünft habe ich Spyrium nicht getestet, aber es könnte dann zu chaotisch werden.
Spyrium ist eher taktisch als strategisch, obwohl die Patente eine gewisse Strategie vorgeben können. Ein gewisser Glücksfaktor ist durch das Aufdecken der Karten in der Auslage und durch die Zahlenchips vorhanden, aber nicht gravierend.
Einige kleine Schwächen muss sich das Spiel ankreiden lassen. Zum einen wäre da das Thema. Mich stören aufgesetzte Themen selten, aber Spyrium fühlt sich einfach abstrackt an. Unthematisch. Und warum ausgerechnet ein Steampunk-Thema an den Haaren herbeiziehen? Wahrscheinlich Marketing, Steampunk überschwemmt neben Vampiren momentan auch die SF/Fantasy- Abteilungen der Buchläden.
Zum anderen sind einige Formulierungen in der Regel unglücklich gewählt. Ereignisse sind eher Sonderaktionen. Ein Ereignis wäre, wenn ein brennender Zeppelin eine Fabrik zerstört und ich ein Gebäude abwerfen muss, aber keine abstrakte Symbolik auf einer Karte. Karten zu aktivieren heißt für mich, Karteneffekte zu nutzen, nicht die Karte aus der Auslage zu nehmen. Die Gebäude, Patente und Spezialisten sind in der Anleitung alle benannt, aber nichts findet sich so richtig auf den Karten wieder.
Und irgendwie fühlt sich Spyrium etwas zu kurz an. Man ist stets damit beschäftigt, den Mangel zu verwalten. Wenn man aber seine Arbeiterschaft, sein Grundeinkommen und eine kleine Produktionskette aufgebaut hat und gerade das Gefühl hat, durchstarten zu können, sind die sechs Runden um.
Trotz der Schwachpunkt erhält Spyrium von mir 5 Punkte. Es ist kein zweites Caylus, es ist kein ganz grosser Wurf, aber es es ist auch mehr als solide Unterhaltung.