Ich möchte hier keine Regelerklärung abliefern. Hierzu gibt herausragende Rezensenten auf dieser Seite. Es sollen im Folgenden nur meine Eindrücke und eine persönliche Bewertung dargestellt werden.
*** Thematik und Material
Pulsar 2849 ist auf den ersten Blick ein SciFi-Spiel mit den üblichen Komponenten: Karte eines imaginären Universums als Spieltableau, Raumschiffe als Spielfiguren, eine Menge Technologie-Fortschritts-Elemente etc. Dabei fällt aber zuerst mal der kreisrunde Spielplan auf, an den exakt eingepasst die anderen Spielelemente angelegt werden. Hat man alles ausgelegt, erinnert das ganze an ein Schaltpult mit üblichem Monitor (Spielbrett) in der Mitte. SEEHR stimmig und thematisch.
Kommen dann noch die Spielsteine für die Anzeige besetzter Technologien dazu, hat das Pult auch noch Lämpchen. NOOOCH stimmiger.
Hier wäre dann also schon fast von einem thematischen Eurogame zu sprechen, aber nur fast. Denn das, was da an Zusatztableaus (Technologie-Tableaus, Zielkarten, Würfel-Tableau, Transmitter etc.) ist vollständig namenlos. Ich patentiere also „die Technologie, bei der es einen Würfel mit einer 2 und einen roten Würfel mit einer 2“ gibt, und nicht etwa „Subvention der galaktischen Liga“, wie es z.B. heißen könnte. Das gilt für alle Elemente des Spiels. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum das Spiel sehr unterschiedlich einschlägt: man gewinnt keinen Bezug zu den gefühlt Milliarden Spielelementen. Ich war mir zunächst uneins, mich stört es aber inzwischen nicht. Denn wenn man sich etwas mit dem Spiel beschäftigt, gewinnt man zunehmend den Überblick über die Möglichkeiten. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt benötigte man auch bei anderen Spielen keine rechte Beziehung mehr zu den Namen (so ging es mir zumindest bei Race for the Galaxy). Schön wäre es dennoch, wenn man später mit den Spielfreunden nicht immer über das „Dingsda mit den zwei Ringteilen“ diskutieren müsste.
Das Thema als solches ist selbst für hartgesottene SciFi-Fans starker Tobak: Entwicklung von kabelloser Energieproduktion aus einem der massereichsten (und mit ca. 20km Durchmesser sehr kleinen) Objekte des Weltalls, den Pulsaren durch den Bau sogenannter Gyrodynes, riesigen mit Lichtgeschwindigkeit rotierenden Ringen um den Pulsar. Puh. Da fällt einem sogar die Vorstellung einer filmischen Umsetzung schwer. Übrigens: Gyrodynes gibt es, haben aber nicht ansatzweise etwas mit dem Thema zu tun, einfach mal im Internet nachschauen ;).
Das Material ist ansonsten vom Feinsten. Die kleinen Raumgleiter sind richtig knuffig, die Spielsteine zur Besetzung der Optionen sehr schön und von angenehmen Plastik, die Pappteile alle in dicker und guter Qualität. Die Grafik ist funktionell, mir gefällt sie. Auch der Spielplan kommt gut rüber, die Fluglinien sehen etwas wir Sternkonstellationen aus. Box und Regelwerk haben ein sehr schönes Artwork. Insgesamt führt die Unterschlagung der thematischen Benennung der Elemente zu keinem ausreichenden Abzug.
Wertung: 1.5 von 1.5
*** Originalität und Mechanismus
Ich besitze selbst zwar keinen Dice-Drafter/Placer, aber es gibt da doch einiges an hochrangigen Spielen auf dem Markt. Dabei kommt schnell das Missverständnis auf, das Würfel per se Zufall bedeuten. Hier, wie bei anderen Spielen mit ähnlichen Mechaniken auch, ist es eine Zufallskomponente, die 1) alle Spieler gleichzeitig betrifft und 2) einen externen ökonomischen Faktor darstellt, quasi ändert sich mit jeder Runde das ökonomische Umfeld im Kosmos: Würfel (=Währung zur Entwicklung und für Flüge) werden günstiger oder teurer, oder sind gar nicht verfügbar. Denn das Spiel kennt zwei (durchaus von bestimmten Gegebenheiten modifizierbare) Grundsätze: Höhere Augenzahlen lassen wertvollere Aktionen zu bei allerdings höheren Akquisitionskosten für diese Würfel; und man benötigt für eine definierte Aktion GENAU den angegebenen Würfelwert, nicht einen höheren oder einen niedrigeren. Allerdings: es gibt quasi keinen Fall, in dem ein bestimmter Würfel nicht gesetzt werden kann und er kann durch Modifier um +/-1oder um +2 verändert werden, wenn man solche Modifier vorher generiert hat.
Der mathematische Weg der Kostenverteilung durch Ermittlung des Median ist super gelöst: je nachdem, wo der von der Augenzahl her mittlere Würfel zu finden ist, werden die 6er teurer oder etwas günstiger. Je höher der mittlere Würfel ausliegt, desto weniger muss ich in hohe Würfel investieren. Das schafft in jeder Runde eine neu Situation, der alle Spieler ausgesetzt sind.
Mit den nur 2 ausgewählten Würfeln lassen sich dann viele Aktionen durchführen: Fliegen und Erkunden auf dem Spieltableau, Gyrodynes aktivieren, Patente entwickeln, Energietransmitter bauen und aktivieren, eigene Fortschritte im Headquarter entwickeln. Das alles zu beschreiben würde zu weit führen. Will nur sagen: es gibt eine zunächst kaum zu übersehende Menge an Möglichkeiten.
Das Spiel führt über (nur) 8 Runden mit jeweils (nur) 2 Würfeln = Aktionen!. Wie soll das gehen? Zusätzlich, und das ist ein Kernansatz für alle Strategien, kann man einen roten Würfel durch diverse Aktionen bekommen. Somit umfasst das Spiel 16 bis maximal 24 würfelgestützte Aktionen. Nicht viel, daher muss man sich fokussieren. Das fällt anfangs schwer. Kurz gesagt: es gibt trotz vieler kontroverser Diskussionen im Internet keinen Königsweg. Setze ich auf Gyrodynes oder Transmitter? Verfolge ich eine Gaterun-Strategie? Bitte konsultiert die Regeln für die Erläuterung dieser Aktivitäten, an dieser Stelle wäre die Rezension sonst noch länger.
Aber es macht einen Riesenspass, alles auszuprobieren, verlieren ist noch bei keinem Spiel mit weniger Schmerzen einhergegangen.
Wertung: 1.5 von 1.5
*** Komplexitätsbalance und Erklärbarkeit
Einerseits birgt die Fülle an Aktionsmöglichkeiten insbesondere für Einsteiger das Risiko, überhaupt nicht klar zu kommen. Aber es sind ja erstmal nur zwei Würfel, die gewählt und dann platziert werden müssen. Die Wahl ist nicht einfach. Und man sollte sich erstmal auf ein paar strategische Wege beschränken. Erkunden ist Fun und so fliegt man erstmal los. Dafür einen passenden Würfel zu finden und dann auf einem Sonnensystem oder einem Pulsar zu landen ist dann erstmal einfach.
Spielt man Anfangs (wie empfohlen) ohne Headquarters, wird die Wahl insgesamt leichter, zumal sich die Auswahl der zu patentierenden Technologien am Anfang des Spiels auf wenige beschränkt und erst mit zunehmender Rundenzahl einige dazukommen. Man wird also sanft ins lauwarme Wasser geworfen. Das fühlt sich schon beim ersten Spiel angenehm an.
Das Regelheft ist nicht nur optisch sehr schön gestaltet, sondern auch übersichtlich. Zudem werden am Ende alle (namenlosen, wie gesagt) Technologien einzeln erläutert und es gibt ein eigenes Booklet für alle Technologien. Vorbildlich!!
Ich hätte jetzt keine Bange, das Spiel in der Familie zu erklären.
Wertung: 1.5 von 1.5
*** Variabilität und Langzeitspielbarkeit
Ich hatte noch nicht die Variabilitäts-Möglichkeiten erläutert. Der Technologiebaum besteht aus drei sich in den Spielrunden freischaltenden Modulen mit insgesamt 8 Reihen, die je nach Runde verfügbar sind. Davon gibt es je Modul 4 verschiedene, die strategisch und auch vom Schwierigkeitsgrad unterschiedlich sind. Man sollte mit den 3 A-Modulen beginnen. Fortgeschrittene können diese frei mischen oder nur D-Module spielen oder was auch immer.
Die 4 Headquarters haben zwei unterschiedliche Seiten mit unterschiedlichen Ausrichtungen, wieder je nach strategischer Vorliebe. Sie gestatten neue Wege, unter anderem die nur hier verfügbare Gaterun-Technologie.
Es liegen immer 3 Ziele aus, ebenfalls mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Hier müssen für die Endwertung eine Zahl von aktiven Gyrodynes oder eine Mindestzahl von Patenten vorliegen. Es gibt insgesamt 6 verschiedene je mit A- und B-Seite.
Man sieht schon, die In-Box-Variabilität ist schon extrem hoch. Durch die diversen Strategien und die Würfelmechaniken ergeben sich wohl lange Zeit genug Spielmöglichkeiten, die die völlig wagnisfreie These zulassen: Langzeitspaß garantiert.
Mir fehlte ein wenig eine Solovariante. Man kann zwar zwei Fraktionen spielen, aber es gibt doch einen gewissen Interaktionsgrad, der das etwas schwierig macht. Ob sich da von Verlagsseite oder mittels Homebrew-Varianten etwas tut, bleibt abzuwarten.
Ansonsten ist das Spiel in allen Konstellationen mit 2 bis 4 Spielern super. Es gibt spezielle Regeln für 2 und für 3 Spieler, die aber im wesentlichen das Management der Spielreihenfolge betreffen. Auf dem Brett kann höchstens zu viert etwas eng werden. Aber das wäre durchaus ein zusätzlicher Anreiz. Technisch gibt es dabei keine Probleme.
Wertung 1.5 von 1.5
*** Fazit
Pulsar 2849 ist ein fantastisches, subthematisches Eurogame mit Würfel-Draft und Würfel-Placement-Mechanik, die hervorragend funktioniert. Die Fülle von Aktionen, die möglich sind, erlauben eine extreme Variabilität. Unterschiedliche Strategien laden ein, ausprobiert zu werden und sind zumindest für Nicht-Profis vermutlich gleichwertig. Die wenigen Aktionen je Runde und Spieler lassen sich schnell spielen, so dass alle am Tisch stets Spaß haben (gut, kann bei Grüblern vielleicht mal anders aussehen, zumindest am Ende). Vladimir Suchy ist hier ein großartiges Werk gelungen, dass ich noch vor den prämierten würfel-basierten Taktikspielen Marco Polo und Burgen von Burgund einordnen würde, wenn man sich auf das Thema einlässt.
Von mir für Pulsar 2849: 6 von 6 Punkten.
Peter hat Pulsar 2849 klassifiziert.
(ansehen)