Ich hatte MicroMacro schon vor einigen Monaten bestellt, habe es aber gerade erst jetzt - pünktlich zur Nominierung als Spiel des Jahres - bekommen. Da mein Lebensgefährte gerade eine Pechsträhne bei unseren üblichen Spielen hat, musste heute was Kooperatives her, sonst streikt er mir noch :-). Da kam MicroMacro gerade richtig.
MicroMacro wird für 1 bis 4 Spieler ab 10 Jahren empfohlen. Ich denke, mit der Altersempfehlung kann man für die meisten Fälle durchaus runtergehen. Auch unser 7-Jähriger weiß, dass es Mord und tödliche Unfälle gibt, und so rein gezeichnet wie hier (also eher unblutig und wenig drastisch) kann er das durchaus auch verkraften ... Noch schöner wäre es vielleicht, wenn es irgendwann mal eine Juniorversion mit kindgerechten Fällen gibt, denn grundsätzlich ist das Wimmelbild-Spielprinzip für Kinder durchaus spannend.
Was die Spielerzahl angeht, so kann man es eigentlich mit jeder beliebigen Anzahl an Mitspielern spielen, solange noch alle Platz um die großformatige Karte habe. Allerdings wird es spätestens dann, wenn man die Lupe benutzt, schon für zwei Spieler voll am Tisch ... Dennoch macht es Spaß, sich darüber auszutauschen, ob man schon alles gefunden hat und die richtigen Schlüsse gezogen hat, deshalb würde ich sagen, dass ich es zu zweit am besten finde, allein geht es auch. Mit drei Spielern geht es auch, wenn einer schon die Lösung kennt und quasi den Erzähler/Tippgeber macht. Wenn es mehr werden, wird es wie gesagt schwierig, dass alle noch etwas sehen können.
Worum geht es?
Das ´Spielfeld´ von MicroMacro besteht aus einem großformatigen Wimmelbildstadtplan sowie insgesamt 16 Fällen, die jeweils mit einer unterschiedlichen Anzahl an Karten repräsentiert werden, anhand deren man zur Lösung geleitet wird. Die Fälle starten immer damit, dass ein Verbrechen beschrieben und auch eine grobe Ortsangabe auf der Karte dazu gemacht wird. Dort sucht man dann beispielsweise die Leiche. Wenn man sie gefunden hat, schaut man auf der Rückseite der Karte nach, ob man richtig lag, und bekommt auf der Vorderseite der nächsten Karte eine Frage gestellt, anhand derer man wiederum nach einer bestimmten Szene auf der Karte suchen muss. So geht es weiter, bis man die Lösung gefunden hat. Dabei ist es immer so, dass man die Personen, die in einem Fall eine Rolle spielen, nicht nur einmal auf der Karte findet, sondern verschiedene Szenen mit ihnen, die vor oder nach dem Verbrechen liegen und quasi Zeugenaussagen darstellen. Mit ihrer Hilfe kann man sich Schritt für Schritt zur Lösung des Verbrechens vortasten.
Und wie sieht es mit der Qualität der Fälle aus? Als Spieler wird man gut geführt, wenn man mit dem Einführungsfall anfängt und sich dann entsprechend der Reihenfolge hoch-rätselt. Das heißt jetzt nicht unbedingt, dass man immer sofort richtig liegt - wir haben anfangs auch mal zu früh geglaubt, am Ziel zu sein, und wir haben auch mal noch ewig diskutiert und gesucht, als wir das schon längst gefunden hatten, worum es in der Lösung ging.
Trotzdem fühlt sich das für mich nicht frustrierend an, sondern ist halt ein Lernprozess, der zum Spiel gehört. Wir stimmen uns inzwischen drüber gut ab, ob wir glauben, am Ziel zu sein und das Richtige gefunden zu haben, und liegen inzwischen damit auch in der Regel richtig.
Für Leute mit viel Erfahrung in schwierigen Krimi-Spielen könnten selbst die schwierigeren Fälle hier zu einfach sein, wobei der Reiz und auch die Anforderung hier mit dem Wimmelbild-Plan allerdings anders ist als in Krimi-Spielen.
Insgesamt würde ich sagen: Fühlt sich gut gemacht an. Weder unstimmig noch übermäßig banal oder kompliziert.
Vom Material her finde ich die Ausstattung so mittel. Die Karten haben ganz gute Qualität, und es werden noch 16 kleine Umschläge mitgeliefert, damit sie nach Fällen getrennt aufbewahrt werden können. Der große Stadtplan ist leider einfach aus Papier. Wenn man ihn pfleglich behandelt, dann hält er vielleicht auch für mehr als einen Besitzer, aber ewig wird er wohl nicht halten. Spätestens wenn man jüngere Kinder mitspielen lässt, wird es mit der Haltbarkeit wohl nicht wo weit her sein. Es ist natürlich klar, dass bessere Qualität hier wohl auch ein wesentlicher Kostenfaktor gewesen wäre. Insofern weiß ich nicht, ob ich da zwingend mehr verlangen würde. Aber wenn in der Regel steht, man solle ihn doch nach dem Durchspielen an die Wand hängen und Gäste mit den Fällen unterhalten, dann denke ich mir halt, dass er so an die Wand gehängt sicher nicht lange dort bliebe ... Einlaminieren ist wegen der Größe leider auch keine Lösung ...
Überhaupt: Die Größe! Also, bei uns bedeckt der Stadtplan praktisch komplett den Esstisch. Man sollte sich auch darauf einstellen, dass man, wenn man überall auf dem Plan die Details erkennen will, nicht an einem Platz sitzen bleiben kann. Beides ist natürlich jetzt nicht weiter schlimm, aber in meiner letzten Singlewohnung hätte ich das Ding wohl nur auf dem Fußboden ausbreiten können ...
Eher als Plus werte ich die nicht allzu große Spielepackung, wobei die tatsächlich immer noch eine Menge Luft enthält (bzw. ein einfaches Inlay, das sehr deutlich macht, dass man den Karton durchaus auch noch auf die Hälfte hätte reduzieren können). Aber wie gesagt: Für ein Spiel eher klein.
Etwas problematisch finde ich die Spieldauer bzw. den Wiederspielreiz: Wir haben noch nicht alle Fälle durch, und es wird langsam auch klar, dass die schwierigeren Fälle nicht ganz so schnell zu lösen sind wie die ersten sehr einfachen. Dennoch ist das ein Spiel, mit dem man ein paar Abende oder ein bis zwei Wochenenden verbringt. Wenn ich die Fälle einmal durch habe, kann ich mir vielleicht noch vorstellen, nochmal einige davon mit den Kindern durchzugehen, aber ich werde wohl auch nach Jahren nicht unbedingt motiviert sein, sie ein zweites Mal selbst durchzuspielen. Sollte es mir gelingen, das Spielmaterial auch beim Spielen mit den Kindern in gutem Zustand zu halten, werde ich das Spiel daher wohl nach dem Durchspielen weitergeben.
Was das Preis-Leistungsverhältnis bzw. den Preis pro Unterhaltungsdauer angeht, schneidet dieses Spiel damit immer noch viel besser ab als beispielsweise ins Kino zu gehen, aber wesentlich schlechter als viele andere Spiele, denen ich mich wieder und wieder Stunde um Stunde gewidmet habe.
Was ist mit der Nominierung zum Spiel des Jahres?
Spiel des Jahres war häufig eine Auszeichnung für innovative Spielprinzipien. Aus dem Grund kann ich verstehen, dass viele es momentan als Favorit handeln. Auch wenn es Wimmelbilder-Bücher schon seit vielen Jahren gibt, ist es meines Wissens in dieser Form noch nicht in ein Brettspiel gepackt worden (wobei es als Computerspiel so etwas schon seit ein paar Jahren gibt).
Mein persönlicher Favorit, also im Sinne von: ´dieses Spiel sollte gewinnen!´, ist MicroMacro trotzdem nicht. Dazu hat es für mich zu wenig Brettspiel-Feeling. Es ist eine lustige Abendunterhaltung, die vorübergehend den Platz von Brettspielen einnehmen kann. Aber irgendwie würde ich es doch nur am Rande als Spiel einordnen.
Fazit:
Für Leute, die gerne rätseln und gute Augen haben, ist MicroMacro durchaus eine große Empfehlung. Aber es bietet nur für einen überschaubaren Zeitraum Unterhaltung und vermittelt auch nicht ganz das Feeling, das man so üblicherweise von einem Spieleabend erwartet.
Also: Gute Unterhaltung, aber für mich nicht unbedingt ein Spiel im engsten Wortsinne.
Irene hat MicroMacro: Crime City – Spiel des Jahres 2021 klassifiziert.
(ansehen)