Famiglia ist eine reines Kartenspiel, das einen recht hohen Glückanteil aufweist, wann welche Karte gezogen wird. Abgesehen davon ist es aber auch ein taktisches Spiel, bei dem derjenige im Vorteil ist, der sich jederzeit zu merken versucht, welche Karten der Gegner gerade auf der Hand hält.
Zu Beginn hat jeder vier identische Karten auf der Hand: je eine Null der vier enthaltenen Farben Blau, Gelb, Grün und Rot. Nimmt der Spieler eine Karte, nimmt er sie immer aus einer offenen Auslage, so dass der Gegenspieler sie sieht. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um den Gegner in Schach halten zu können.
Reinhard hat eine hervorragende Kurzanleitung für das Spiel geschrieben, weswegen ihm hoffentlich der oberste Platz unter allen Rezensionen dauerhaft gesichert wird! Zwei Ergänzungen habe ich dazu noch:
1.
Es werden zwei Phasen gespielt. Wenn der Nachziehstapel aufgebraucht wurde, kommen die bis jetzt abgelegten Karten als neuer Nachziehstapel (noch einmal) ins Spiel. Es kann keine Null im Ablagestapel landen, so dass in Phase 2 keine Nullen mehr aufgedeckt werden.
In Phase 2 gibt es zudem eine Einschränkung zum Abwerfen von Karten aus der "Straße": es kann nur noch maximal eine Karte abgeworfen werden (in der 1. Phase: bis eine Null in der Straße ausliegt, kann der Spieler beliebig oft Karten abwerfen) - und spätestens jetzt ist es wichtig, die Handkarten des Gegners gut zu kennen, um ihm nicht nur nicht in die Hände zu spielen, sondern möglicherweise sogar die Suppe zu versalzen.
2.
Es gibt vier Farben im Spiel: Blau, Gelb, Grün und Rot.
Jede dieser Farben hat eine Eigenschaft, die sich von denen der anderen Farben unterscheidet. Hier ein kurzer Abriss zu den Farbeigenschaften:
Grün ("Die Söldner"):
Grüne Karten ab dem Wert 1 ersetzen eine beliebige Karte einer anderen Farbe mit geringerem Wert.
Beispiel: mit einer roten 1 und einer grünen 2 (oder 3 oder 4) kann man eine rote 2 auf die Hand nehmen, da die grüne 2, 3 oder 4 z.B. eine rote 1 ersetzen kann (Erinnerung: üblicherweise benötigt man immer zwei absolut identische Karten - hier: zwei rote 1en -, um die nächsthöhere - hier: die rote 2 - zu bekommen). Anschließend bestimmt der Spieler, welche der beiden eingesetzten Karten (rote 1 oder grüne 2, 3, 4) er in die Auslage legen möchte. Gerade kurz vor Ende des Spiels kann es unter bestimmten Voraussetzungen Sinn machen, die grüne Karte abzuwerfen, um die "andersfarbige" auf der Hand zu behalten.
Gelb ("Die Brutalen"):
Mit diesen Karten kann man den Wert einer Karte in der Straße (WICHTIG: für den aktuellen Zug) senken.
Mit einer gelben 1 kann man also temporär z.B. aus einer gelben 2 in der Straße (ja, es darf auch eine gelbe Karte reduziert werden!) kurzzeitig eine gelbe 1 machen und diese dann mit zwei gelben Nullen auf der Hand aufnehmen. Setzt man eine höhere gelbe Karte ein, kann man den Wert der Straßenkarte um BIS ZU dieser Anzahl an Werten senken, d.h. mit einer gelben 3 kann man eine andere Karte um nur den Wert 2 reduzieren, wenn einem das notwendig erscheint. Das kommt durchaus häufiger vor, dass man die gelbe Karte nicht voll "ausreizt" - es hängt immer von den eigenen anderen Handkarten ab, wie hoch die Reduzierung sein sollte, um eine möglichst wertvolle Karte zu ergattern.
Wird eine gelbe Karte dazu eingesetzt, den Wert einer anderen Karte zu reduzieren, dann kommt am Ende des Zuges auch die gelbe Karte in die eigene Auslage (zusätzlich zu der einen Handkarte fürs Aufnehmen einer Karte aus der Straße).
WARNUNG: Es ist sehr gefährlich, bereits in Phase 1 des Spiels die gelben Sondereigenschaften früh zu nutzen. Man gibt dabei immer zwei Karten aus, um eine zu erlangen, d.h. man senkt die Anzahl der eigenen Handkarten um eins.
Blau ("Die Buchhalter"):
Nur mit blauen Karten kann man eine Karte aus der eigenen Auslage zurück auf die Hand nehmen, muss jedoch die identische Anzahl an Handkarten dafür in die Auslage packen.
Hat man z.B. eine blaue 3, kann man bis zu drei Karten (weniger sind ausdrücklich erlaubt!) aus der Auslage auf die Hand nehmen, muss aber ebenso viele Karten aus der Hand dafür in die Auslage legen - zusammen mit der blauen Karte. Man verliert also auch hier eine Handkarte, wenn man die Eigenschaft nutzt (vgl. gelbe Karten), d.h. auch hier bedeutet frühes Ausspielen (meist die komplette Phase 1) in den meisten Fällen für das weitere Spiel einen Nachteil.
Rot ("La Famiglia"):
Diese Karten haben keine besonderen Eigenschaften, bringen aber dafür besonders hohe Siegpunkte.
Blaue, gelbe, grüne / Rote neu aufgenommene Karten:
Wert 0: 0 Siegpunkte / 1 Siegpunkt
Wert 1: 1 Siegpunkt / 3 Siegpunkte
Wert 2: 3 Siegpunkte / 6 Siegpunkte
Wert 3: 6 Siegpunkte / 10 Siegpunkte
Wert 4: 10 Siegpunkte / 15 Siegpunkte.
Es gibt Spiele, in denen bei zwei gleichstarken Gegnern das Glück entscheidet, mitunter gibt es sogar haarsträubende Punktabstände zwischen Sieger und Verlierer, die nichts mehr mit dem Können zu tun haben. Verglichen mit dem Spiel Drachenherz empfinde ich persönlich den Glücksfaktor bei Famiglia niedriger, zwei gleichstarke Gegner liefern sich bei Famiglia wesentlich öfter ein Kopf-an-Kopf-Rennen als bei Drachenherz.
Famiglia erinnert mich übrigens ein wenig an Kahuna: man merkt sich, was der andere für Karten auf der Hand hat (bei Kahuna ab dem Ende der ersten Phase) und reagiert auch darauf. Optisch und thematisch haben beide Spiele nicht viel gemeinsam, aber das Spielgefühl empfinde ich als sehr ähnlich.
Wenn man sich eine Weile mit dem Spiel beschäftigt, lernt man nach und nach Taktiken kennen, um den Gegner allzu leichte Kartengewinne zu verhageln und/oder sich selbst eine Karte zu sichern, indem man die Sondereigenschaften geschickt nutzt (auch mehrfache sind möglich: zuerst blaue Karte spielen, danach gelbe, dann u.a. mit einer grünen eine Handkarte aufnehmen - alles in einem Spielzug)! Mir gefällt dieses Spiel sehr, ich habe auch nach zig Partien noch nicht genug davon. Allerdings sollten die Spieler gleichstark sein, erfahrene Recken haben eindeutige Vorteile gegenüber Neulingen.