Das Orakel von Delphi ist ein Würfelspiel für 2-4 Spieler von Stefan Feld.
Im Gegensatz zu den typischen Feld´schen Siegpunktorgien muss jeder Spieler 12 Aufgaben erfüllen: 3 Statuen und 3 Kultstätten gilt es zu errichten, 3 Monster zu Besiegen und 3 Opfergaben zu bringen.
Um diese Aufgaben zu erledigen stehen den Spielern in jeder Runde 3 Würfel zur Verfügung, auf denen 6 verschiedenfarbige Symbole abgebildet sind. Sie stellen das Orakel dar, das die Handlungsspielräume der Spieler vorgibt.
In diesem Spiel ist alles farbcodiert. Bewegen sich die Spieler über den variablen Spielplan, müssen sie innerhalb der Reichweite ihrer Schiffe das Feld erreichen, das in Symbol und Farbe dem Würfel entspricht, den sie zur Bewegung nutzen.
Stehe der Spieler neben einer Insel, die das begehrte Gut zum Lösen einer Aufgabe enthält, geht er ebenfalls mit dem Farbcode vor: Das Auf- und Abladen der Statuen und Opfergaben funktioniert ähnlich wie die Bewegung. Z.B. grüne Statuen werden mit einem grünen Würfel eingeladen und an anderer Stelle wieder mit einem grünen Würfel errichtet. Rote Opfergaben müssen zum roten Tempel gebracht werden. Wird gegen ein gelbes Monster gekämpft, muss ein gelber Würfel quasi als Aktionspunkt eingesetzt werden, anschließen findet mit einem 10seitigen Würfel eine Kampfphase statt, in der es das Monster zu besiegen gilt. Zum Errichten von Kultstätten müssen die passenden Plätze zunächst einmal unter den verdeckt ausliegenden Plättchen entdeckt werden. Zum Entdecken des Plättchens und den Bau der Kultstätte braucht der Spieler einen Würfel in der passenden Farbe des Feldes, auf dem das Plättchen liegt.
Im Kern ist Das Orakel von Delphi ein einfaches, glückslastig erscheinendes Pick up & Deliver-Spiel, doch es ist um eine nicht gerade kleine Menge zusätzlicher Elemente ergänzt worden, die es deutlich auf ein gutes Kennerspiel-Niveau heben. Dazu gehört schon, den Spielplan zu lesen, die Aufgaben möglichst im Verbund abzuarbeiten, um Züge zu sparen. Übersicht ist gefragt.
Als nächstes kommen die kleinen Nicklichkeiten, die Stefan Feld gern in seine Spiele einbaut. Was den Parisern um Notre Dame ihre Ratten sind den alten Griechen ihre Titanen, die kräftig am Ende jeder Runde Wundenkarten verteilen (die man auch im Kampf gegen Monster erhalten kann). Hat man genug gesammelt, setzt man eine Runde aus, was bei diesem Spiel schon eine empfindliche Strafe bedeutet, da sich sehr viel um Geschwindigkeit und Bewegung drehen. Die Wunden können ebenfalls über die Würfel geheilt werden und hat man zu Beginn seines Zuges keine Wunden auf der Hand, wird man sogar belohnt.
Jeder Spieler verfügt zu Anfang des Spiels über einen individuellen Vorteil und man erlangt während des Spiels weitere: Begleiter, die vor Schaden schützen, die Reichweite des Schiffes erweitern oder den Spieler bestimmte Farben wie jede andere Farbe nutzen lassen. Ausrüstungsgegenstände, die die Bewegung oder das Lösen der Aufgaben vereinfachen, mehr Möglichkeiten für Würfel bieten oder direkt Statuen und Opfergaben aufladen lassen, um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen. Es gibt Gunstplättchen zur Manipulation der Würfelfarben und der Schiffsreichweite und Orakelkarten, die erworben werden wollen und wie ein weiterer Würfel fungieren. Und nicht zuletzt gibt es sechs griechische Götter, die auf einer Leiste nach oben geschoben werden und einem mächtige Vorteile gewähren, wenn sie oben angekommen sind. Einige dieser Boni werden ausschließlich durch das Lösen von Aufgaben gewährt, während man die Götter auch durch den farblich passenden Würfel voranbringt und für Gunstplättchen und Orakelkarten reicht es, einen beliebigen Würfel abzugeben.
Das Glück ist beim Orakel von Delphi durchaus vorhanden, aber durch die Fülle an Möglichkeiten, die Züge zu optimieren, absolut beherrschbar.
Damit sich die Wartezeit in Grenzen hält würfeln alles Spieler am Ende ihres Zuges und können schon mal planen, während die anderen an der Reihe sind. Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass sich die Interaktion in Grenzen hält. Das macht (mir zumindest) aber wenig aus, denn durch den Wettlaufcharakter des Spiels kommt schon einiges an Spannung auf und der Mechanismus ist stark genug, diesen kleinen Makel zu kaschieren. Das Spiel ist insgesamt sehr ausgeglichen, bislang sind alle Partien recht knapp ausgegangen – gleich starke Spieler vorausgesetzt. Wer nicht optimieren kann oder will, wird kaum eine Chance auf einen Platz im Olymp haben.
Prinzipiell funktioniert es in jeder Besetzung sehr gut, hat mir aber am besten zu viert gefallen. Der variable Spielplan, die verschiedenen individuellen Fertigkeiten und Ausrüstungsgegenstände halten den Spielreiz lange hoch, auch wenn die Partien insgesamt recht ähnlich ablaufen.
Das Material ist reichhaltig und wertig, der Spielaufbau darf zeitlich nicht unterschätzt werden. Das 12seitige Regelwerk ist verständlich verfasst und gut strukturiert und nach mehrmaligem Spielen gehen Aufbau und Erklärung immer flüssiger von der Hand.
Auch wenn die Gestaltung des Materials eher abstrakt ist und das Orakle von Delphi einen deutlichen Optimierungscharakter besitzt kann ich an dieser Stelle sagen, dass ich noch keinen Feld gespielt habe, der so thematisch ist. Ein gelungenes Werk und für mich aufgerundete 6/6 Punkten wert.
Edit: Ein Bekannter hat das Spiel mit den Burgen von Burgund (BuBu) verglichen und so abwegig ist der Gedanke gar nicht. Mit einem Würfel nimmt man, mit einem Würfel legt man ab und erhält Belohnungen. Das Flächenmanagement von BuBu wurde beim Orakel von Delphi allerdings durch die Bewegung ersetzt.
Timo hat Das Orakel von Delphi klassifiziert.
(ansehen)